Die Türen meiner Hundeschule gehen mal wieder zu – für jene, die Hunde mit Aggressionsthematik haben. Der Grund dafür ist ein recht trauriger. In diesem Beitrag geht es um geeignete Schritte für Halter mit aggressiven Hunden und weswegen die Plätze in manchen Hundeschulen begrenzt sind.

 

Darf man Hunde „verschleißen“?

Hundefreundin Sandra ruft bei mir an. Wir sind in einer halben Stunde auf dem Hunde-Trainingsgelände verabredet, um mit einem Vierbeiner zu trainieren, der anderen Hunden gegenüber aggressiv reagiert. Nicht ihr eigener Hund „Zeus“ ist es, um den es bei der Aggressionsthematik geht. Nein. Der hübsche Labradorrüde ist Tandem-Partner, also derjenige, der heute als souveräner und gelassener Hund Übungs- und Testkamerad für einen aggressiven Hund sein soll. Damit Zeus den Job nicht alleine machen muss, sitzt Hündin Phaedra bei mir im Auto. Sie wird einspringen, sollte Zeus Stress bekommen. Denn, und das will ich hier ins Bewusstsein rufen:

Du hast als Hundetrainer/in AUCH die Aufgabe, weder Deinen eigenen Hund, noch andere Hunde zu „verschleißen!“

Diese Aussage einer Kollegin zum Thema, dass ihr eigener Hund „da halt durch muss, denn schließlich ist es sein Job“ wirft bei mir die Frage auf, was da schief gelaufen ist. Von „Verschleiß“ zu sprechen ist schon das eine. Lebloses Gebrauchsmaterial, das verschleißt. Aber Gelassenheit und Souveränität eines Lebewesens?

 

Hundehalter sind verantwortlich für ein gesundes Hundeleben

Als Hundehalter trage ich die Verantwortung dafür, mein Tier im Alltag so zu führen, dass es körperlichem und seelischem Leid entgehen kann, wann immer es für mich machbar und erkennbar ist. Das bedeutet, voll und ganz am Leben teilzunehmen und es zu genießen, meinem Hund alles zu bieten, was er braucht, um glücklich zu sein. In Watte packen ist da nicht. Wer lebt, erfährt auch Schmerz. Schon klar. Doch es ist ein Unterschied, ob mir die Dinge einfach „passieren“ und ich darauf reagieren muss – oder ob ich um einen schädlichen Umstand weiß und meinen trotzdem Hund aktiv in unangenehme Situationen schicke.

Deshalb kommen bei mir weder eigene Hunde, noch Trainingspartner bei Aggressionsthemen in Einsatz, wenn sie offensichtlich genug davon haben, von anderen Hunden angepflaumt zu werden. Denn auch der gelassenste Hund hat irgendwann die Faxen dicke, wenn er das Trainingsgelände nur noch sieht, wenn Pöbler darauf zu finden sind.

Es ist wichtig, den Schwerpunkt und Fokus eines Aggressions-Tandem-Partners NICHT auf seinen Job als ignoranten Hund zu legen. Das bedeutet, dass das Hauptaugenmerk auf Spaß und Spiel, sinnvoller Beschäftigung und sozialem Miteinander mit ausreichend Erholungszeit liegt – auch, und vor allem, auf dem Trainingsgelände. DADURCH bleibt es auch dabei, dass der Trainingspartner ausgeglichen bleibt.

 

Hunde dürfen auch mal Zusammenarbeit verweigern

Bei zu häufigem Einsatz verweigert der Hund irgendwann die Zusammenarbeit.

Genau das ist uns mit Zeus passiert. Asche auf unser Haupt, denn obwohl Sandra und ich besser auf unsere Hunde achten, als auf uns selbst, haben wir Zeus Lustlosigkeit beim letzten Termin als „der hat heute einfach keinen Bock“ abgetan. Jetzt, im Herbst 2017, steht er zu Hause vor Sandras Auto und will nicht einsteigen.

Bei mir klingelt es innerlich. „Okay, ich mache den Termin heute alleine und du gehst mit Zeus spazieren. Lass ihn ganz in Ruhe. Wenn er Apportieren oder Suchen abfragt, bekommt er das geboten. Wenn er einfach nur laufen und schnüffeln, will – auch gut. Das machst Du jetzt tagelang. Nur Spiel, nur Spaß, keinerlei Verpflichtung. Alles darf, nichts muss – im Rahmen eurer klaren Alltagsstrukturen. Zeus braucht eine Pause, wir nehmen ihn raus“, entscheide ich und bin froh, dass es Sandra genauso sieht.

 

Hunde brauchen Raum und Erlaubnis, damit sie auch ihre psychischen Bedürfnisse kommunizieren

Nur wenige Tage später ist alles wieder gut. Zeus ist glücklich, steigt ins Auto, fährt zu Treffen mit entspannten Hundekumpels. Wir haben ihm zugehört. Einen kleinen Ticken zu spät, weil wir Menschen sind, aber rechtzeitig genug: Wir haben ihn wenigstens beim zweiten Wink verstanden. Die Verweigerung in Sandras Auto einzusteigen war kein Dominanzthema, kein Führungsding, kein Testen von Regeln oder Klettern auf der Rudelführerkarriereleiter.

Hund

Auf Zeus ist nicht nur Verlass in der Begegnung mit anderen Hunden. Sandra kann sich auch darauf verlassen, dass ihr Hund weiß, dass er seine psychischen Bedürfnisse deutlich klar machen darf – und seine Familie darauf angemessen reagiert.

An diesem Tag, als die Kundin mit ihrem aggressiven Hund kommt, arbeitet meine Hündin Phaedra alleine. Bevor ich sie aus ihrer gemütlichen Auto-Box aussteigen lasse, flüstere ich noch kurz etwas in ihr Ohr: „Du sagst Bescheid, wenn Du keine Lust mehr hast, ja?“

Und ich weiß, ich kann mich darauf verlassen, dass sie es tut. Weil in unserer Familie Raum dafür vorhanden ist.

 

Trainingspartner für Hunde mit situativer Aggressionsthematik sind selten

Die Arbeit als Trainingspartner für andere Hunde ist eine, die auf gutem Willen basiert. In der Regel werden Hundehalter nicht dafür bezahlt, dass sie ihre Zeit und ihren Hunde zur Verfügung stellen. Es ist schlichtweg finanziell nicht darstellbar als Hundetrainer, die entstehenden Kosten für den Einsatz der Trainingspartner zu übernehmen. Der Kunde mit dem aggressiven Hund will in aller Regel auch nicht für entstehende Extrakosten aufkommen. Somit scheidet eine bezahlte Trainingspartnerschaft meist aus.

Als Hundetrainer kostet es zusätzlich Zeit, den organisatorischen Aufwand zu betreiben, der in der Suche nach einem geeigneten Trainingspartner und der Abstimmung für Trainingstermine liegt. Darin liegt die Hauptursache: Es gibt sie nicht wie Sand am Meer, diese souveränen und gelassenen Hunde mit Menschen, die gerne kostenlos helfen und zeitlich flexibel sind.

 

Die letzte Konsequenz: Die Türen der Hundeschule schließen sich. Aus Qualitätssicherungsgründen.

Damit diejenigen, die sich bereits im Aggressions-Training befinden, sinnvoll und zielführend betreut werden können, schließen wir die Türen der Hundeschule für weitere Hunde und ihre Familien, die nach Unterstützung für ihren Hund mit Aggressionsthematik suchen. Es stehen einfach nicht genug Hunde und Menschen zur Verfügung, die bereit und geeignet sind, als Trainingspartner zu fungieren – und die brauchen wir unbedingt, um bestmöglich voran zu kommen.

 

Wie sieht ein Training für Hunde mit situativer Aggressionsthematik aus?

Die groben Schritte, die wir gehen, sind folgende:

  1. Welche Motivation liegt vor, worum geht es dem Hund? Welches Ziel verfolgt er mit seiner Aggression, was ist die „positive Absicht“, die dahinterliegt? Heißt: Welchen Zustand will der Hund beseitigen und was will er sicherstellen? Hunde sind nicht pauschal „aggressive Hunde“. Es gibt immer einen SITUATIVEN Grund.
  2. Was ist der Grad der Aggression, welche Stufe? Hinweis: Die meisten Hundetrainer kennen die Abstufung nach Dorit Feddersen-Petersen.
  3. Welche Strukturen in der Familie sind Ursache? Wo identifiziert der Hund, dass etwas unstimmig ist? Hunde blicken aus Hundesicht auf Familienstrukturen.
  4. Welches Verhalten des/der Menschen in der Familie sind Ursache des aggressiven Verhaltens? Menschen bringen Hunde häufig unbewusst in Konflikte.
  5. Könnte die Fütterung eine Rolle spielen? Sind körperliche Ursachen abgeklärt und kann körperlicher Schmerz ausgeschlossen werden? Manche Futter-Inhalte wie Fleischsorten und Getreidesorten begünstigen aggressives Verhalten, genauso Schmerzen des Körpers.
  6. Einen oder mehrere geeignete Trainingspartner finden.
  7. Trainings- und Verhaltensplan einhalten (darin finden sich die Feinabstimmungen, die bei jeder Hund-Mensch-Beziehung individuell zu finden sind)

Mein Tipp: Achte bei der Suche nach einer guten Hundeschule darauf, dass der Trainer/in die o.g. Punkte mit Dir bespricht bzw. sicherstellt, dass sie in den folgenden Trainingsstunden angesprochen und daraus resultierende Fragen beantwortet werden. Du hast ein Recht darauf, jeden einzelnen Schritt erklärt und belegt zu bekommen. Es geht schließlich um Dein Leben mit einem glücklichen Hund 🙂

 

Fotos:
Graml/Rahtgens

Ryan Walton

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