Gemessen vom Anfang hat alles ein gutes Ende genommen. Eben rückwirkend betrachtet, wenn ich es mir anmaße, die Dinge zu bewerten. Vielleicht ist dies der ungewöhnlichste Reisebericht, der jemals über einen Monat in Afrika geschrieben wurde – vielleicht auch nicht, ich habe sie leider nicht alle gelesen. In jedem Falle ist es das außergewöhnlichste Reiseerlebnis geworden, das ich bis heute erfahren habe.
Das Leben schreibt die besten Geschichten und ist der beste Lehrmeister
Ich mochte das Leben schon vor meiner unmittelbaren Begegnung mit dem Tod. Anscheinend war es der Ansicht, dass es noch ein i-Tüpfelchen brauchte, damit ich es ein Stück weit tiefer begriff. Im Angesicht der eigenen Vergänglichkeit lernt man vieles. Jedenfalls ging es mir so, schließlich
- verbringe ich normalerweise keine Nächte in einem absaufenden Auto im Okavango Delta.
- Ich schwimme am Morgen normalerweise nicht durch Flüsse, in deren Armen sechs Meter lange Krokodile auf Nahrung warten. Auf Nahrung wie mich und meinen Mann, beispielsweise.
- Ich wate nicht durch hüfthohes Gewässer, in dem territoriale Hippos ärgerlich werden, wenn jemand ohne Einladung ihr Wohnzimmer betritt.
- Ich schlängele mich nicht vorbei an Schlangen oder muss, weil es keine erkennbare Alternative mehr gibt,
- auf drei ausgewachsene Elefanten zu rennen.
Von der Anopheles Mücke, die Malaria überträgt, einmal abgesehen, verbringe ich meine Tage normalerweise sehr, sehr ruhig und in Sicherheit und Frieden. In Deutschland kann ich das machen. Überall in Europa, wenn ich es mir recht überlege. An vielen Orten auf der Welt war ich vermutlich sicherer aufgehoben, als an dem Tag, an dem mein Mann und ich die falsche Abzweigung in Botswanas Okavango Delta genommen haben.
Wer lebt, hat Lebenskurven
„Mir gefällt die Analogie zum Bild eines EKGs oder EEGs: Stell dir das Leben als Messgerät vor, das überprüft, wie intensiv dein Herz und Hirn noch arbeiten. Wenn du intensiv lebst, schlägt deine Lebenskurve mal weiter aus in manchen Phasen, in anderen weniger. Würden die Dinge immer gleichförmig verlaufen, wäre das Leben nicht facettenreich erfahrbar. Ganz zu schweigen von der horizontalen Linie, die das Messgerät anzeigt, wenn wir tot sind…“, beginnt Jörn unsere Unterhaltung am Abend in Maun, Botswana.
Wir sitzen in einer Lodge und trinken Rotwein, während wir der Sonne dabei zu sehen, wie sie den Thamalakane Fluss in violettes Licht taucht. Einen Augenblick lang schweigen wir und sehen dem organroten Ball dabei zu, wie er hinter dem Horizont verschwindet.
Dass wir diesen Anblick genießen können, den Wein auf unserer Zunge schmecken und das miteinander teilen, was sich Zusammensein nennt, ist schon lange nicht mehr selbstverständlich für uns. Doch jetzt hat die Qualität unserer Partnerschaft einen maßgeblichen Wachstumsschub bekommen: Wir haben zusammen unsere Leben riskiert. Auch füreinander. Das verändert eine Beziehung.
Ist das alles passiert, weil ich das Leben in Swakopmund via Meerespost um etwas gebeten habe, anstatt „es“ einfach loszulassen? Musste ich diese Lektion in Demut erleben, weil ich beim Loslassen heimlich einen Wunsch versteckt habe?
Ja und nein.
Beides ist richtig.
Ich habe gelernt,
- dass Wünsche in Erfüllung gehen
- und das Universum verschiedene Sprachen spricht – auch meine.
- Dass der Sinn des Lebens das Leben selbst ist
- und das schlagende Herz eines Menschen in einem gesunden Körper bei wachem Verstand ein Geschenk bedeutet.
- Dass wir dieses Geschenk namens Leben besser achtsam in unseren Händen halten, anstatt es zu vernichten und mit Füßen zu treten.
- Dass ich nicht dazu erschaffen bin, über das Geschenk eines anderen Menschen zu urteilen. Auch nicht darüber, was er damit macht
- und mein Leben in diesem Körper kurz und endlich ist.
- Dass ich zu Besuch hier bin, in dieser wilden Welt, in der ein waschechter Elefant genauso friedlich oder bedrohlich ist, wie ein Mensch
- und ich ein Versprechen einzulösen habe, während ich Sternen beim Tanzen zusehe.
Loslassen, was nicht mehr zu uns gehört
Exakt drei Monate später, am 05. August 2018, springen Jörn und ich ins Meer der Costa del Garraf in Sitges, Barcelona. Dieser heute noch fremde Ort, der 2019 ein neues Zuhause ist. Mit Hund.
Ich habe meine Hundeschule in München kurz nach unserer Rückkehr aus Afrika geschlossen und den Job als Hundetrainerin aufgegeben. Nein, nicht aufgegeben. Losgelassen. Diesmal richtig.
Jetzt begleite ich Andersmacher mit Hund dabei, das Leben zu leben, für das sie gemacht sind. Ich nehme Hundefreunde dorthin mit, wo ihre Stärken warten. Zeige Wege, die stimmig und passend sind – manchmal abseits von denjenigen, die ausgetretene Pfade mögen. Ein Leben mit Hund bedeutet vieles, doch vor allem heißt es, dass wir Zugang zu etwas haben, um das uns viele Menschen beneiden:
Verbundenheit.
Was das bedeutet? Wie die Geschichte von Jörn, Phaedra und mir weiterging, nachdem wir aus Afrika zurück waren? Das erfährst Du jeden Dienstag in Deinem Postfach! Du bist willkommen in unserem
Leben…Mach´s einfach!
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2 Kommentare. Hinterlasse eine Antwort
Super packende Geschichte wie sie nur das Leben schreibt. Tolle Analogien. Mega geschrieben.
Bin gespannt auf die Fortsetzung!
Hallo Gerhard, tausend Dank! Wir leben und schreiben fleißig voran 🙂