Als ich von einer Geschäftsreise zurückkomme, reißt Jörn mit pochender Schläfe die Haustüre auf. Oh, oh. Kein gutes Zeichen.
Vorsichtig luge ich an ihm vorbei, den Flur entlang, rein in die Küche.
Dort steht der Staubsauger.
Im Flur ein angebrochener Sack Hundefutter, neben der Futtertonne. Steht dort sonst nicht.
Der Lebensmittelschrank ragt in die Küche, die Arbeitsplatte ist blank poliert.
„Sie hatten eine faire Chance. Aber seit heute setzen wir Gift ein!“ erklärt mein Mann.
Er meint die Ameisen. Wir haben viele davon. Sehr, sehr viele.
Wir mögen Ameisen. Wir beobachten sie gerne bei der Arbeit. Am liebsten dann, wenn wir beide gerade mal nicht arbeiten – was selten genug vorkommt, aber das ist eine andere Geschichte und soll ein andermal erzählt werden.
„Dieses ganze Öko-Duftspray Zeug hat nix gebracht“, beginnt Jörn und zeigt auf den neuen Bio-Killer, den er als Mahnmal auf dem Esstisch positioniert hat.
Mist. Ich hatte gehofft, dass Lavendel, Zitrone, Zimt und Co. ihre Wirkung tun würden.
Wir wollten die Tiere bitten, draußen zu bleiben. Einfach auf der Terrasse, wo genug Brösel vom knusprigen Weißbrot, Mandelkernstücke oder sogar Gemüsereste täglich vom Tisch fallen. Ganze Armeen von Ameisen könnten sich davon ernähren!
Aber nein.
Sie klettern in Lebensmittelpackungen, verschlossene Schüsseln, Mülleimer.
Und vor ein paar Tagen: Phaedras Hundefutter.
Alarmstufe rot.
Jetzt ist Schluss mit lustig.
Sie können alles haben. Mein Brot, meine Erdnüsse, meine Lieblingsschokolade.
ABER NICHT DAS FUTTER MEINES HUNDES!
Da hört der Spaß auf. Jetzt beginnt es, ernst zu werden.
Ameisen überall – AAAAAAHHHH!
Todernst. Leider.
Überall Ameisenstraßen, soweit das Auge reicht. Sie verteilen sich über die Wände und Decken, am Fußboden, in Schränken, in jeder denkbaren Ritze.
Wir warten, bis es dunkel wird. Glücklicherweise gehen die Viecherl nachts nach Hause und beginnen ihre Schicht erst gegen 7 Uhr morgens.
Wenn sie morgen aufwachen werden sie merken, dass etwas anders ist, als sonst.
Das Ameisenmittel verspricht, einen ekeligen Ameisenduft abzusetzen und sagt außerdem, dass es sie umbringt, wenn sie damit in Berührung kommen.
„Ganz schön fies, oder?“ sagt Jörn.
„Total. Soll ich nicht doch einfach das andere Zimtöl bestellen?“ beginne ich meine Frage.
„Auf keinen Fall! Es reicht. Wir sprühen das Zeug jetzt und warten ab, was morgen passiert. Die kriegen schon raus, dass hier jetzt Sperre ist.
Gesagt getan.
24 Stunden später ist das Ameisenproblem in unserer Wohnung gelöst.
Jetzt sind sie umgezogen. Richtung Zitronen- und Orangenbaum. Ich bedanke mich bei ihnen, indem ich eine Opfergabe mitten in ihre Ameisenstraße lege. Essenslieferung vom Bringdienst, quasi. Das mache ich jetzt täglich, denn irgendwie bin ich es ihnen schuldig, finde ich. Schließlich habe ich ein paar ihrer Kameraden auf dem Gewissen und wer „Mieses Karma“ von David Safier gelesen hat, der weiß, dass man Ameisen besser ernst nimmt.
Übrigens: Es duftet jetzt nach einem neuen Zimtöl bei uns im Küchenbereich…
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Photo by Vlad Tchompalov on Unsplash
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