Ich lege das Marie Kondo Buch zur Seite und merke mir zwei wichtige Punkte zum Thema Ausmisten und Aufräumen:
- Alles wegschmeißen, was mich nicht mehr glücklich macht.
- Wenn´s keinen Nutzen mehr für mich hat, weg damit.
Es ist der Beginn einer wunderbar aufregenden Zeit, Ende Januar 2019. Wir schenken wildfremden Menschen unsere Möbel und führen interessante Gespräche, während Kleiderschrank, Sofa, Stehlampe und Co. ein neues Zuhause finden. Jeder Abholer geht mit einem Lächeln von dannen. Die einen, weil sie ein Geschenk bekommen haben und die anderen, weil sie Schenken konnten.
Jörn und ich sortieren seit Tagen Erinnerungsstücke, klicken uns durch alte CDs und blättern durch Fotoalben. Der Grund ist ein ganz einfacher:
Wir ziehen nach Spanien
Ganz genau: Katalonien. Barcelona ist ab März 2019 unser neues Zuhause. Natürlich mit Hund. Jetzt misten wir aus und trennen uns von allem, was nicht mehr gebraucht wird. Marie Kondo hilft uns dabei.
Wie es dazu kam? Darüber haben wir im vergangenen Sommer berichtet, kurz nachdem wir aus Afrika zurückgekehrt waren.
Ich stelle irgendwann fest, dass mein Leben in einen einzigen Karton passt – und dass noch nicht einmal diese Kiste wirklich wichtig ist.
Was beim Auswandern wirklich wichtig ist
Was wirklich wichtig ist, packt neben mir selbst eine Kiste oder sitzt am Schreibtisch und tippt Emails oder spricht am Telefon. Jörn ist wichtig. Zwischendurch schleckt eine feuchte Zunge über mein Gesicht, während ich zwischen Unterlagen durch Ordner wühle. Oder setzt sich direkt vor mich, weil Gassizeit ist. Phaedra ist wichtig. Manchmal fragen Freunde und Familie, wie wir vorankommen. Sie freuen sich darauf, uns zu besuchen. Das ist wichtig.
Es sind weder meine Zeugnisse, Urkunden, Empfehlungsschreiben oder Fernsehauftritte. Auch nicht meine Fachartikel oder Buchbeiträge. Schon gar nicht Klamotten, Küchenutensilien oder Haarpflegeprodukte. Wenn der LKW auf dem Weg von München nach Spanien verloren geht…dann ist nichts Wichtiges darin.
Alles, was wichtig ist, befindet sich dort wo mein Herz schlägt. Es pocht im Gleichtakt mit Jörn und Phaedra. Dabei ist es egal, ob wir unter bayerischer oder spanischer Sonne leben.
Mein Herz hängt nicht an Gegenständen, sondern an Momenten. Das ist gut, wenn man Bescheidenheit leben mag. Wirklich doof ist so ein „hängen an Momenten“ dann…wenn der Moment vorbei ist. Wenn er nie wieder kommt. Ich kriege total schnell Herzschmerzen durch solche Situationen. Ich mag Abschiede nicht, vor allem dann, wenn sie für immer sind.
Letzten Sommer haben wir Jörns Papa für immer verabschiedet. Das war so ein Moment, auch wenn mir klar war, dass der Tod sein Leiden beendet hat.
„Man sieht nur mit dem Herzen gut…“
„denn das Wesentliche ist für die Augen unsichtbar.“ Es stimmt wirklich, das Exupery sagt. Und manchmal tut diese Gabe weh. Wenn man ein großes Herz hat, erkennt man oft die Herzen anderer Menschen viel besser, als diese es selbst tun. Deshalb fragen wir Herzmenschen uns allzu oft, weshalb die Menschheit so grausam zu sich selbst ist. Da haben es diejenigen viel leichter, denen Autos, selbstgebaute Häuser, Urkunden, Beförderungen und Playstations das Wichtigste sind. Eine Playstation muss man nicht spüren, die kann man einfach nur ins Regal stellen und benutzen, um sich die Zeit zu betäuben.
Das ist viel einfacher.
Nur nicht gelebt.
Deshalb trage ich nun Karton um Karton zum Wertstoffhof, verschenke und spende, so lange, bis nur noch das übrig bleibt, was ich im Alltag dringend brauche oder glaube zu brauchen.
Zwischendurch erinnern mich die klackernden Geräusche von Jörns Tastatur und Phaedras Pfoten auf Parkett daran, was wirklich wichtig ist.
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