Jäh unterbreche ich das Telefonat mit L. und werfe mein Handy im Rennen aufs Hotelzimmerbett. Sekunden später umarme ich die Kloschüssel des Zimmers, in dem ich mich eingebucht habe.
Ist dem Umstand ein schöner, intensiver Cocktailabend vorneweg gegangen?
Nein.
Andere Neuigkeiten, wie etwa „was Kleines im Anmarsch“?
Auch nein.
Was Falsches gegessen?
Fehlanzeige.
Merke: Im Krankheitsfall nicht Google befragen
Erneut wähle ich die Nummer meiner Freundin L.
„Geht’s wieder?“ fragt sie mitleidig.
„Nee…“, antworte ich ehrlich.
Ich will sterben. Naja, nicht ganz so schlimm. Aber schön ist es nicht. Meine Eingeweide krampfen, bei jedem Husten habe ich Angst, dass der Würgereiz…ach, lassen wir das. Wer´s kennt, braucht keine Details. Wer´s nicht kennt: Oh würdiger Erdenbürger, was beneide ich dich!
„Du, ich hab in der Zwischenzeit mal gegoogelt“, sagt L. und ich bin gespannt, was gleich kommt.
„Was hast du gegoogelt?“ frage ich mit erstickter Stimme.
„Wie lange ist deine Afrikareise her?“ will sie wissen und ich höre an ihrer Stimme, dass sie gerade was liest.
Ich rechne kurz.
„13 Monate. Du guckst jetzt aber nicht nach Malaria oder so?“ will ich wissen. L. hat die Tendenz zum Hypochonder. Und Münchausen-Stellvertreter.
„Doch. Und Tse-Tse und irgend so ein Wurm, der die Harnröhre hoch…“
„Das ist ein Fisch“, unterbreche ich sie.
„Hast du´s mit der Blase?“ fragt sie jetzt.
Aha. Sie ist in ihrem Text bei den Symptomen angelangt und wenn ich jetzt nicht die Kurve kriege, habe ich nach diesem Telefonat alle afrikanischen Krankheiten, die man kriegen kann.
„Neeeeeein!“ rufe ich kläglich ins Telefon.
Und lege abrupt auf.
Mein Körper sagt, dass es Zeit ist.
Eigentlich eine gute Sache, denke ich, während ich mit der Stirn nach unten auf dem Badezimmerboden liege. Schön kühl gefliest hier. Jetzt habe ich einen Grund, L. via WhatsApp zu schreiben, dass ich unmöglich weiter sprechen kann.
Ein paar Minuten später schreibt sie:
„Lies mal diesen Artikel hier, wäre vielleicht ganz gut, wenn du nicht ganz so locker damit umgehen würdest…“
Ich sehe das Bild irgendeines Mikroorganismus, klicke drauf und…
Mein Telefon klingelt.
Diesmal ist es mein Mann.
„Oh man, das tut mir so leid…“, beginnt er.
Geteilte Viren sind halbe Viren
Kurz vorneweg: Der arme Kerl liegt, genau wie mein Bruder, seit ein paar Tagen mit grippalem Infekt im Bett. Das hätte ich L. erzählt, wäre ich dazu gekommen.
„Wie geht´s dir denn?“ frage ich und wir führen ein sehr ehrliches, offenes Gespräch über unsere Krankheitssymptome. Eines, das man erst nach jahrelangem Kennenlernen in einer Beziehung führt.
„Und der Bub? Was gehört?“ frage ich.
Der Bub, das ist mein kleiner Bruder. Jüngerer Bruder, um es korrekt zu sagen. Er ist größer als ich und jung im Geiste.
„Keinen Plan, hab nichts von ihm gehört. Sag mal: Hast du Nackenschmerzen? Wenn du Nackenschmerzen hast, versprich mir, dass du sofort in eine Klinik gehst!“ sagt Jörn mit derjenigen Stimme, die keinerlei Widerworte zulässt.
Ich schweige kurz.
„Wiesoooooo?“ frage ich zaghaft.
„Ich hab mal nach unseren Symptomen recherchiert. Die Amöben….“
Ich starre fassungslos auf die Wand im Badezimmer und höre ihm zu, wie er über eine Amöbenart referiert, die das Gehirn auffrisst.
„Sag mal, hast du Halsschmerzen?“ will er jetzt wissen.
„Nein, ich habe keine Halsschmerzen. Und ich verspreche, sofort in eine Klinik zu fahren, sollte ich Nackenschmerzen und all die anderen Sachen kriegen, die das Amöbendingsbums anstellt.“
Ich frage noch, wie viele Menschen in den vergangenen Jahren in Spanien am Befall dieses Viechs gestorben sind.
In 150 Jahren gab es 35 gemeldete Fälle.
Langsam erhebe ich mich von den kühlweiß gefliesten Badezimmerfliesen und schlurfe beruhigt ins Bett zurück. Mit der wunderbaren Gewissheit, einen ganz gewöhnlichen Magen-Darm-Infekt zu haben. Einen, den man mit viel Kamillentee und haufenweise Kräutertropfen in den Griff kriegt.
In Liebe, Deine Sabrina
Ich sage dem Magen-Darm-Virus gute Nacht und versichere ihm, dass er längst nicht so schrecklich ist, wie sein Ruf. Es gibt schlimmere von seiner Sorte und wenn er unbedingt will, kann er noch ein paar Stunden bleiben, aber wenn ich aufwache, soll er bitte verschwunden sein. Hin zu jemandem, der ihn mehr verdient hat, als ich.
Liebevoll gebe ich ihm noch ein paar Namen mit für Menschen, von denen ich glaube, dass ihnen eine Zwangspause mal gut tun würde. Denn nichts weiter hat er im Sinne, der gewöhnliche MD-Virus. Der beißt nicht, der will nur spielen und zum Pausemachen anregen.
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