Wenn man einen Job richtig intensiv erlebt, bleibt ein Erfahrungsschatz zurück. Auch im Traumberuf Hundetrainer. Ich will diesen Schatz nicht verschließen und mich drauf hocken wie Gollum. Die meisten Erfahrungen und lehrreichen Momente als Hundetrainerin habe ich in 10 Erkenntnissen zusammengefasst.
Heute kenne ich die Lösungen, die bei mir funktioniert haben. Sicherlich passen sie nicht zu jedem Hundetrainer und erheben auch nicht den Anspruch auf Vollständigkeit. Sie sollen denjenigen als Inspiration dienen, die den Weg noch vor sich haben oder ihn bereits gehen – im Traumberuf Hundetrainer!
1. Beobachten
Die Fähigkeit ganz genau zu beobachten und dabei Neutralität zu wahren, ist unabdingbar für den Job als Hundetrainer. Nichts ist gefährlicher für einen Menschen mit seinem Hund, wenn vorgefertigte Meinungen eines Trainers die Diagnose verfälschen. Die Wahrnehmung eines Menschen funktioniert auf eine ganz spezielle Weise und dessen muss man sich als Trainer bewusst sein. Wer die Dinge nicht erkennt, therapiert und begleitet schlechtestenfalls in die verkehrte Richtung. Das kann bei Hunden einen immensen Schaden anrichten – und ist dem Hundehalter gegenüber nicht fair, weil er auf Fachkenntnis des Hundetrainers vertraut. Beobachtungsgabe gehört aus meiner Sicht zum Instrumentarium der Grundausstattung eines Hundetrainers.
2. Hineinhören
Es gibt verschiedene Arten von „Hören“. Wir können zuhören, hinhören oder hineinhören. Als Hundetrainer müssen wir Hinein-Hören. Wer nur zuhört oder hinhört, wird die Thematik einer Mensch-Hund-Beziehung niemals in der Tiefe erkennen. Das müssen wir aber, wenn wir Menschen und ihren Tieren tatsächlich helfen möchten. Ein soziales System folgt bestimmten Mechanismen. Wir existieren in einem Familienverband nicht unabhängig voneinander. Ein erster Punkt, den es zu verstehen (und mitfühlen) gilt, ist dieser hier: Was bedeutet dieser Hund für diese Menschen?
Wir formen als Hundehalter das Verhalten unserer Hunde zu einem sehr großen Teil selbst. Deshalb ist es auch selten ein Zufall, dass bestimmte Verhaltensauffälligkeiten bei einem Tier entstehen. Wir müssen den Dingen auf den Ur-Grund gehen, wenn wir sie verändern wollen. Dafür müssen wir hineinhören, denn ein zuhören oder hinhören bleibt auf der Oberfläche.
3. Demut
Ein Begriff, mit dem ich lange eine Form der Unterwürfigkeit und Selbstaufgabe verknüpft habe. Heute weiß ich es besser, dank der Arbeit mit Mensch und Hund.
Als Hundetrainer sind wir nicht allmächtig. Wir haben den Stein der Weisen nicht gefunden, für niemanden. Weder ist irgendeine Trainingsphilosophie immer die Beste, noch eine Methode stets effektiver als die andere. Manchmal wissen Hundehalter selbst am besten Bescheid, was ihrem Tier gut tut und was es braucht. Dafür muss man hineinhören. Als Hundetrainer sollten wir in der Lage sein, anderen Menschen auf Augenhöhe zu begegnen und sie weder besser, noch schlechter als uns selbst betrachten. Der Erfahrungsschatz eines Hundehalters kann den unseren von Fall zu Fall sehr bereichern, wenn wir bereit dafür sind. Für mich nennt sich dieser Zustand Demut.
4. Respekt
Den Zustand des Hundes und den Standpunkt des Menschen zu respektieren erfordert sehr viel Reife. Die Welt der Hundehalter und Hundetrainer ist gespickt von Hass, Neid und Überhöhung. Dem gegenüber steht die Liebe zum Hund. Aller Streit, jeder Krieg um die heilbringende Hundeerziehungsmethode für uns alle, geht auf das Ego von Menschen zurück, die auf ihre eigene Weise Hunde lieben.
Wer sind wir denn darüber zu entscheiden, wie ein anderer Mensch mit seinem Hund leben und ihn lieben soll?
Wie kann ich jemanden ernst nehmen, der behauptet, er wüsste wie ich die Welt mit meinem Hund betrachten soll?
Wenn ich einen Menschen und seinen Hund von ganzem Herzen respektiere, nehme ich meine eigene Sicht auf die Welt mit Hund zurück. Ich verliere dabei meinen Standpunkt niemals. Ich kann jederzeit argumentieren, weshalb ich ein Verhalten und eine Situation anders bewerte und einschätze. Ich kann es auch sichtbar machen und bestenfalls respektvoll beweisen. Das ist Professionalität. Auf diese Art und Weise kann ein Hundehalter selbst entscheiden, ob er die Dinge in seinem Leben mit Hund ändert, oder eben nicht. Ihm diese Freiheit zu lassen, bei der ich mich nicht über diesen Menschen stelle, ist für mich der Inbegriff von Respekt.
5. Fleiß
Hundetrainer arbeiten (sofern gewerblich und in Vollzeit) sehr, sehr viel. Das liegt neben den entsprechenden Stundensätzen vor allem an der Vorbereitung, Nachbereitung und Betreuung der Kundschaft sowie administrativem Kram. Wer professionell arbeitet, führt ein Unternehmen. Was das bedeutet, wissen alle, die eines haben. Wir stehen nicht stundenlang fröhlich plaudernd mit Mensch und Hund im lauen Sommerlüftchen. Nein. Hundetrainer ackern richtig, bei Wind und Wetter und an den Wochenenden und Ferien. Weil sie fachlich fit und fortgebildet bleiben müssen, bilden sie sich regelmäßig fort. Manche von ihnen haben Personal, das geführt werden muss. Der Job als Hundetrainer ist nicht weniger harte Arbeit, als der eines Gastronoms. Ich habe in diesen Jahren gelernt, was es bedeutet, sehr viel zu arbeiten und die Konsequenzen zu tragen. Fleiß bedeutet nicht, dass man die Dinge richtig macht. Fleiß kommt manchmal getarnt als Erfolg, Geschäftigkeit und Begehrtheit daher. Wer fleißig ist sollte sich zwischendurch einmal fragen, ob er in einem Hamsterrad feststeckt.
6. Durchhaltevermögen
Um in diesem Markt zu überleben, muss ein Hundetrainer durchhalten. Die Frage, die er/sie sich stellen sollte, ist diese hier: Wofür?
Was gibt dir der Job?
Wenn du Antworten hast, die dich tragen und treiben, wirst du es schaffen, dir einen Namen zu machen und am Markt bleiben. Dann ist es egal, wie viele Hundeschulen neben dir aus dem Boden sprießen. Jemand, der tief verwurzelt mit absoluter Überzeugung seine Arbeit tut, den kann niemand aus dem Geschäft kicken.
Dieser Job und der Markt der Hundeschulen ist kein einfacher. Ich habe keine Ahnung weshalb Hundeliebhaber so oft glauben, man könnte einfach so Hundetrainer werden und bleiben. Die nackte Realität ist diese hier: Die meisten können den Beruf nicht in Vollzeit ausüben, weil sie zu wenig Geld verdienen. Das liegt an ganz unterschiedlichen Dingen. Ich bin überzeugt, dass wir fachlich viel Talent da draußen haben – aber die Umsetzung als Unternehmer hapert. Dem gegenüber stehen unternehmerische Talente, die als Hundetrainer fachlich zum Davonlaufen sind. Das macht es unerfahrenen Hundehaltern sehr schwer, die Besten unter den Hundetrainern zu finden.
7. Konsequenz
Sie spiegelt sich im Job als Hundetrainer nicht nur in der Hundeerziehung wider: Konsequenz. Wer am Markt bleiben und vom Job leben will, muss vor allem konsequent die eigenen Regeln im Umgang mit Kundschaft befolgen. Die Frustration von Hundetrainern (dasselbe findet sich bei Tierärzten, Tierheilpraktikerin, Gassigehern…) durch die eigene Kundschaft ist enorm! Leute buchen Termine und erscheinen nicht bzw. sind nicht zu Hause zum vereinbarten Zeitpunkt. Obwohl es Allgemeine Geschäftsbedingungen gibt, bezahlen sie ihre Rechnungen nicht. Trainingspläne werden nicht umgesetzt. Auf Social Media Bewertungen verfasst, die keinerlei Bezug zum Thema haben. Manchen Kollegen wird sogar gedroht. Es werden grundlos Behörden beschäftigt, Gerichte involviert, Ämter der Stadt alarmiert und manchmal sind die Verursacher der Angriffe sogar andere Hundeschulen. Wer anständig arbeitet, hat als Hundetrainer nichts zu befürchten! Dennoch kostet es viel Zeit und Kraft. Was mich zum nächsten Punkt bringt.
8. Menschenkenntnis
Im Job als Hundetrainer kannst du in den Abgrund der Gesellschaft blicken. Und in die Bereiche, die das Zusammenleben mit Menschen wunderbar machen! Du wirst mit beiden Seiten konfrontiert. Auf diese Art bildet sich eine Menschenkenntnis heraus, die dir niemals jemand nehmen wird. Es passiert auf berührende Art und Weise – und auf schreckliche.
Wer konsequent hinhört, Leuten respektvoll und in Demut begegnet, sich vom eigenen Fleiß nicht blenden lässt und gut beobachtet, der wird bald erkennen, wer zu ihm passt und wer nicht.
9. Gelassenheit
Leute kommen und gehen. Leute reden. Manchmal gut über dich und sie empfehlen dich weiter – manchmal lassen sie kein gutes Haar an dir. Diese Wahrheit ist so beständig wie die Menschheit und kommt und geht in Wellen wie das Meer.
10. Fehlbarkeit
Hundetrainer sind auch nur Menschen. Sie machen Fehler. Durch Fehler lernen und wachsen wir am meisten. Auf meinem Weg haben mich viele erfolgreiche Unternehmer begleitet, von denen ich einiges über Fehlerkultur und Fehlererlaubnis gelernt habe. Im Scheitern oder Fehlermachen liegt eine Kunst vergraben: Es ist diejenige, wieder aufzustehen und es beim nächsten Mal besser zu machen. Ein Sicherheitsnetz zu bauen und Fehler vorneweg zu nehmen, gehört ebenso dazu. Sich Gedanken darüber machen, wie auf Kritik von außen reagiert wird und den eigenen Weg nicht zu verlassen, aber vielleicht mal den Kurs zu verändern – das beinhaltet den Umgang mit der eigenen Fehlbarkeit.
Ein paar Worte zum Schluss
An welchem Punkt Du im Moment auch stehst: Geh weiter wachsen, werde besser und höre nie damit auf. Du trägst mit Deiner Arbeit zu einer Veränderung bei, die für ein Tier und seinen Menschen sehr wertvoll sein kann. Mit jeder Sekunde Hundetraining hast Du das Leben von diesen Leuten und ihren Hunden ein Stück weit verändert und auf diese Weise etwas von Dir selbst hinzugefügt. Ich wünsche Dir von ganzem Herzen, dass es etwas ist, das ihr Leben und Deines bereichert hat und immer mehr bereichert.
Titel-Foto:
Ausschnitt aus meinem TV-Auftritt bei Sat1
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