“Ah ha ha!”
Ich stelle mir immer vor, dass Buddha so gelacht hat.
Ein warmes, tiefes Lachen und strahlende Augen. Wie die von einem kleinen Jungen, der gerade ein unerwartetes Geschenk bekommen hat. Kleiner als ich ist er schon mal, Dr. Sreejit, aber jung sind wir beide nicht mehr.
Sagt er. Nicht ich.
Für mich sind die Anfangvierziger die pure Wonne und ich fühle mich immer noch jung. In Indien zählt man zu den “Gereiften” und in der Fachwelt zu den “Senioren” in meinem Alter. Der Herr Doktor, mit seinem schütteren Haar, über das er sich regelmäßig selbst lustig macht, drückt jetzt nacheinander drei Punkte an meinem Brustkorb. Es sind sogenannte Marmapunkte.
Ich schreie laut auf, spucke lästerliche Flüche aus und gehe in die Knie.
“Ich dachte, wir wären Freunde!” heule ich rum.
“Das Virus sitzt noch in deiner Lunge”, antwortet er bloß und reibt dann meine Ohren.
“Jetzt besser?” fragt er.
“Ja”, jammere ich.
Boah, hat das weh getan!
“Wieso Ohrenreiben?” frage ich und spüre, wie mein Kopf heiß wird.
“Zum Ausbalancieren. Die meisten Leute haben dort während oder nach der Erkrankung…”
– er zeigt auf die drei Fu**-Tut-Das-Weh-Punkte –
”…Schmerzen, wenn ich sie presse. Das bedeutet, diese Punkte sind blockiert. Damit die Energie, die dir gerade fehlt, wieder fließen kann, müssen wir die Blockaden lösen. Das machen wir mit Massagen. Und du bekommst noch eine spezielle Paste, die wir dir während der Behandlungen auftragen, auf Brustkorb und Rücken. Damit lösen wir Toxine.”
Klingt gut, denke ich.
Danach muss ich zum Lauftest. Treppen hoch, Treppen runter. Treppen hoch. Treppen runter. Treppen. Hoch. Treppen. Runter. Trep-pen. Ho-hoch. Oben angekommen wieder…run-ter.
“Ich kann nimmer”, sage ich nach einer Weile. Lunge meldet sich. Muskeln sagen: Is gut jetzt. Ich fühle mich wieder schwach und kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, wann ich wieder joggen gehen kann.
“Okay, wir testen immer mal zwischendurch, wo du im Laufe der Behandlungen stehst.”
Sagt es und schreibt es auf.
Ich nicke ergeben und lasse mich auf den bereitgestellten Stuhl fallen.
“Jetzt einmal an die Wand stellen, bitte.”
Mach ich. Mit Rücken an die Wand.
Und dann… schwanke ich zwischen Reue und Dankbarkeit.
Reue, weil es wirklich furchtbar weh tut, als er meiner Therapeutin AN MIR zeigt, wie sie mich massieren soll. Ich denke: “Das halte ich nicht einen Monat lang durch!”
Ich nehme mir im Schmerzmoment vor, zukünftig bei der Auswahl meiner Freunde darauf zu achten, keine mehr aus Heilberufen zu wählen. Es verkompliziert in solchen Momenten einiges. Beispielsweise kann ich in diesem Augenblick nichts gegen meinen Impuls tun, ihn zurück zu pieksen. Das mache ich sonst nicht mit meinen Ärzten. Ging mir mit meiner kolumbianischen Freundin – und Chiropraktikerin – Lina neulich genauso. Halswirbel geknackst, und ich, nachdem ich überprüft habe, dass ich noch lebe, sage laut: “Dich lad ich nimmer zum Kaffee ein, blöde Kuh! Menno.” Nehme sie danach in den Arm und bedanke mich, dass sie mich aushält in solchen Momenten und trotzdem noch behandelt.
Aber zurück nach Indien.
Ich tupfe mir die Tränen aus den Augen und frage tapferfreundlich:
“Bist du dir ganz, ganz sicher, dass das nötig ist?”
Mein Mann sagt immer, ich soll die Ärzte doch ihren Job machen lassen. Die werden’s schon wissen.
“Ah ha ha. Yes, my friend,” ist die Antwort. Und ich bin wieder buddhadankbar.
Die ersten drei Tage Ayurveda Behandlung nach Corona-Erkrankung
An Tag drei habe ich hinter mir:
- 3x Stirnguss
- 3x Schulter-Nacken-Massage
- 3x Heiße-Stempel-Brustkorb-Rückenbehanldung
- 3x Pastenauftragen für Lunge und Bronchien
- 3x Warmes Synchron-Gussbad
- 3x Marmapunkte-Brustkorbmassage
und an Tag vier zusätzlich:
- 1x Gezieltes Erbrechen.*
*Keine weiteren Details hier, wenn Du ein bißchen tiefer einsteigen willst, lies gerne meinen Bericht aus 2020 dazu…
Geschmacks- und Geruchssinn kommen an Tag 4 mit Hilfe von Ayurveda bei mir zurück
An Tag vier:
ICH SCHMECKE UND RIECHE WIEDER WAS!
Nicht zu 100%, da geht noch was. Aber es ist ein Anfang und ich bin happy, endlich Indien riechen zu können! Gut, auf dem Hinflug, neben dem schnarchenden Glatzkopf, da war ich froh, dass ich nicht zusätzlich zur Lärmbelästigung auch noch wegen Geruch unfeine Gedanken hatte. Habe ich erwähnt, dass ich ungnädig werde, wenn ich krank bin?
Meine Energie kommt langsam zurück.
“Wir haben dir zum Erbrechen was Stärkeres gegeben, als sonst. Wir müssen wirklich schauen, dass wir alles aus den Zellen ausschwemmen, das noch da festhängen und dir Probleme bereiten könnte”, erklärt mir der Doktor.
“Wie stehen meine Chancen?” frage ich.
Ich will wieder…ich sein.
“Ich verspreche nichts, außer, dass ich alles tue, was ich kann”, sagt Dr. Sreejit. Und das reicht mir. Er ist mein Doktor Wunderkind.
Jetzt frage ich mich nur noch, wann ich wieder normal im Kopf werde. Das Thema Konzentration und Wahrnehmung meiner Umgebung steht nämlich noch auf einem ganz anderen Blatt. Neulich, als ich den Dosenöffner minutenlang suchte, um ihn dann in meiner Hand zu finden… das war schon speziell.
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2 Kommentare. Hinterlasse eine Antwort
Wow Sabrina, das ist ja mega spannend. Witzig wie du schreibst 🙃… sicher nicht witzig, was du gerade durchmachst 🥺.
Ich drücke dir die Daumen – dein Doktor kriegt das bestimmt hin – dass du bald wieder ganz Du selbst bist 🫶
Liebe Grüsse
Vera
Hallo liebe Vera! War voll nicht witzig das durchzumachen, aber jetzt (wo wieder gut is… ging dann glücklicherweise sehr schnell!) bin ich um eine Erfahrung angereichter. Schauen wir mal, was draus wird 😉